Kinder- und Jugendarbeitsschutz

Was war früher anders?

Früher durften Kinder, im Betrieb zu Hause bei ihren Eltern helfen.

Früher war es gang und gäbe, dass Kinder gemeinsam und für ihre Verwandtschaft auf den Bauernhöfen, in den Werkstätten oder im Kleinhandel mithalfen. Für diese Kinder war es möglich Arbeiten zu verrichten, die die Familie entlastete und der Gemeinschaft nutzten. Dadurch erlernten sie wichtige Fähigkeiten wie Selbstständigkeit, Eigeninitiative und Verantwortungsbewusstsein.

Der Erwerb solcher Kompetenzen soll das Ziel erziehender und bildender Arbeit sein. Wichtig für das Kind das an der Bushaltestelle steht, ist es, den Fahrplan lesen zu können. Das Wissen hingegen, wann der nächste, übernächste und letzte Bus abfährt, ergibt sich daraus. 

Was Kinder brauchen?

Kinder brauchen die Erfahrung, wie sie anderen behilflich sind.

Renommierte Entwicklungspsychologen wie Erik H. Erikson oder Robert J. Havighurst erkennen bereits bei 5-Jährigen Kindern einen „Werksinn“ und das Bedürfnis für die Gesellschaft Nützliches zu leisten. Durch Erfolgserlebnisse können sie sich so in ihrer Persönlichkeit weiterentwickeln und in der Gesellschaft heranwachsen.

Kinder wollen einen umfassenden Einblick in ihre Umwelt. Sie müssen auch den Lebensbereich Arbeit für sich selbst erleben und entdecken. Vor allem in der Auseinandersetzung mit ihrer unmittelbaren Umwelt können sich Kinder aktiv entwickeln. Arbeit ist deshalb sowohl ein Entwicklungsraum als auch ein Sozialisationsraum, da sich Kinder so in die Gesellschaft integrieren können[1].

Kinder können ihre Leistung vor allem am Ergebnis der Arbeit erfahren.

Wie sich Zeiten ändern?

Formen der Arbeit verändern sich eigentlich zu Gunsten junger Menschen.

Die Jugendarbeitslosigkeit steigt abrupt an und wird für junge Menschen sogar noch drei Jahrzehnte später spürbar sein[4]. Junge Menschen geraten in einen Teufelskreis in der einerseits Arbeitserfahrung benötigt wird um Arbeit zu erhalten, andererseits man auf Arbeit angewiesen ist um zu Arbeitserfahrung zu gelangen.
 
Ein Wandel vollzieht sich auch in der Arbeit an sich. War 1960 weltweit noch rund jeder zweite Erwerbstätige ein Arbeiter in der Rohstoffgewinnung, Produktion oder Landwirtschaft, werden dies 2020 nur noch 15 % sein. Arbeitskräfte arbeiten nun vorwiegend im Wissens- und Humandienstleistungsbereich[5]. Voraussetzung ist dabei nicht mehr der körperliche Fleiß, sondern vielmehr Kreativität, Innovation, Kooperation und Netzwerkarbeit. Allesamt Kompetenzen die jungen Menschen liegen[6].

Gute Gründe für die Arbeit von jungen Menschen in Südtirol:
Südtirols Schulkalender ist durch seine lange Sommerpause (11 – 12 Wochen) dafür geschaffen
  • die Jugend will eine Beschäftigung, da über Sommer das Vereinsleben ruht
  • der Tourismus, der Handel und die Landwirtschaft benötigen zeitlich befristete Saisonarbeiter, die sie betriebsgerecht ausbilden können
  • so erlernen junge Menschen wichtige Fähigkeiten um sich persönlich und beruflich zu entwickeln

Was möglich ist?

Es gibt die rechtlichen Voraussetzungen um Kindern die Teilnahme in der Arbeitswelt zu ermöglichen.

In Italien wurden die Provinzen mit der Kompetenz ausgestattet, die Mitwirkung von Kindern bei der Arbeit zu genehmigen (Legislativdekret 345/1999, Art. 6 Abs. 2). Laut Amt für sozialen Arbeitsschutz wird eine solche nahezu ausschließlich für Dreharbeiten bei Filmen erteilt. In Deutschland ist es für Kinder von drei bis sechs Jahren erlaubt, bis zu zwei Stunden im Tag an Veranstaltungen mitzuwirken. Unter Mitwirkung wird die Tätigkeit von Kindern bei kulturellen, künstlerischen und sportlichen Veranstaltungen, sowie Werbetätigkeiten verstanden (EG 94/33 Art. 5).

Arbeit ist Realität für Millionen Mädchen und Jungen. Die UN-Kinderrechtskonvention aus dem Jahr 1989 (Art. 32 Abs. 1), verbietet jegliche wirtschaftliche Ausbeutung von Kindern, „die Gefahren mit sich bringen, die Erziehung des Kindes behindern oder die Gesundheit des Kindes oder seine körperliche, geistige, seelische, sittliche oder soziale Entwicklung schädigen könnte.“ Noch dazu müssen Staaten, welche die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert haben, ein „Mindestalter für die Zulassung zur Arbeit festlegen“, „angemessene Regelung“ und „angemessene Strafen“ vorsehen (Art. 32 Abs. 2). 

Kinderarbeit ist jedoch nicht per se ausbeuterisch. Die Mitwirkung von Kindern bei der Arbeit ist nicht die einzige Ausnahme in der genannten Richtlinie 94/33 der Europäischen Gemeinschaft. Europaweit können Kinder auch für „gelegentliche oder kurzfristige Hausarbeiten in einem Privathaushalt oder Arbeiten in Familienbetrieben, sofern diese Arbeiten als für junge Menschen weder schädlich noch nachteilig noch gefährlich anzusehen sind“ eingesetzt werden (Art. 2). Lediglich Italien schränkt diese Ausnahme auf Jugendliche im Alter zwischen 15 und 18 Jahren ein (DLEG 977/1967).
Die Europäische Union ermöglicht es auch Kindern über 13 Jahren „leichte Arbeiten“ zu verrichten, die weder die Sicherheit, Gesundheit und Entwicklung, noch den Schulbesuch, die Berufsberatung oder –ausbildung negativ beeinflussen (Art. 4 Abs. 2.c). In Deutschland können diese über zwei Stunden täglich leichte Arbeiten verrichten (JArbSchG §5 Art.3). Noch dazu haben deutsche Kinder (JArbSchG § 5 Art. 4) die Möglichkeit an den Schulferien für vier Wochen zu arbeiten.

Detail am Rande:
Besonders kreativ mit Kinderarbeit geht man in den Niederlanden um. Dort können Arbeitsstrafen für Jugendliche über 12 Jahren verhängt werden, wenn Gesetzesüberschreitungen vorliegen. So mussten im Jahr 2006 mehr als 21.000 junge Menschen aufgrund von Vandalismus, Ladendiebstahl, Drogenhandel oder Schlägereien arbeiten[7].
Quellen
[1] Hungerland, Beate; Liebel, Manfred et. al. (2007): Working to be Someone, Jessica Kingsely Publishers: London.
[2] Kirchhöfer, Dieter (2009): pp. 50ff.
[3] Schlegel, Alice; Barry, Herbert (1991): Adolescence: An Anthropological Inquiry.
[4] Bell/ Blanchflower (2011).
[5] Frigo, Luca (2011): Arbeit in der Gesellschaft von gestern, heute und morgen, AFI-IPL, Newsletter 29 (30.05.2011), URL: http://www.afi-ipl.org/files/de/newsletter/Newsletter-29-Arbeit-in-der-Gesellschaft-von-gestern-heute-und-morgen.pdf. 
[6] Hungerland, Beatrice; Liebel, Manfred; Milne, Brian; Wihstutz, Anne (2007): Working to be someone: Child Focused Research and Practice with Working Children, Jessica Kingsley Publishers.
[7] Rodriguez, Ricardo (2007): Study on Child Labour and Protection of Young Workers in der European Union: Final Report, in: Labour asociados, URL: ec.europa.eu/social/BlobServlet?docId=4200&langId=en.